Samstag, 29. November 2008

29. November 1947: zum UN Beschluss 181 - Teilung Palästinas


60 Jahre Israel und 101 Jahre Kolonisierung Palästinas – Stationen einer tödlichen Bilanz des ‚Zionistischen Traumes'

'Wenn Ihr wollt ist es kein Märchen' versprach 1896 Theodor Herzl, Vater des Projekts Israel in seinem gleichnamigen Buch und animierte damit Tausende junger Juden Europas, an diesem Märchen mitzuarbeiten, nach Palästina zu gehen und den Traum von einem jüdischen Staat zu realisieren. Der Boden war bereitet durch die Pogrome an Juden im (Ost) Europa des 19ten Jahrhunderts und den aufkommenden Nationalsozialismus in Italien und Deutschland zu Beginn des 20ten.

Vertreibung oder Zusammenleben?
Entgegen diesem Enthusiasmus müssen wir heute konstatieren, dass dieser Traum ein Alptraum geworden ist. Entgegen aktueller Medienberichte, die immer entschiedener den Palästinensern die Schuld an diesem Drama in ihren politischen Betrachtungen geben möchten, sollten wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Begründer des Projektes Israels - auch Herzl - sehr genau wussten, dass dieses Märchen ein Albtraum werden könnte. Man wusste genau, dass man eine fremde, europäische Gesellschaft mit völlig anderen Interessen, Hintergründen und Zielen in ein Land verpflanzen wollte, das von anderen Menschen bereits Jahrtausende lang bewohnt und bewirtschaftet war. Israel Zangwill, der gegen eine Staatsgründung zur 'Lösung der Judenfrage', wie es Herzl nannte, war, mahnte: 'Palästina hat bereits seine Einwohner ... deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten, die eingesessenen Stämme entweder mit dem Schwert zu verjagen, wie das unsere Vorfahren getan haben, oder mit dem Problem zu kämpfen, das eine große, fremde Bevölkerung darstellt.' (Zangwill 1929:88). Herzl hatte auf dieses Problem eine für die koloniale Denkweise der Zeit eine unbeschwerte Antwort: 'Ziehen wir in eine Gegend wo es für die Juden ungewöhnliche Tiere gibt, große Schlangen usw. - so benütze ich die Eingeborenen (!), bevor ich sie in den Übersiedlungsgebieten beschäftige dazu, diese Tiere auszurotten.' (Herzl Tagebücher 12.6.1995). Und für weitere Strategien nahm er auch kein Blatt vor dem Mund wie mit den 'Eingeborenen' langfristig zu verfahren wäre und schrieb: 'Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Land jederlei Arbeit verweigern. Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muss - mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen. Die Immobilienbesitzer sollen glauben, uns zu prellen, uns über den Wert zu verkaufen, aber zurück verkauft wird ihnen nichts!' (Herzl, Tagebücher 2.6.1896).
Damit ist schon das ganze Programm für das Projekt Israel beschrieben:
Einwandern, enteignen, vertreiben und das Land judaisieren.

1897: Der 1. Zionistische Weltkongress - jüdischer Volksgedanke und grenzenlose Raumvorstellungen

Einwandern, enteignen, vertreiben und das Land jüdisch kolonisieren - der vom jüdischen Nationalismus geprägte 1. Zionistische Weltkongress in Basel mit seinen 204 Delegierten aus aller Welt beschloss die dazu erdachten strategischen Schritte:
„Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina. Zur Erreichung dieses Ziels erwägt der Kongress folgende Maßnahmen:
- Die Förderung der Kolonisation Palästinas durch jüdische Einwanderer aus Landwirtschaft und Industrie nach sachgemäßen Richtlinien,

- Die Organisation und den Zusammenschluss des Gesamtjudentums durch entsprechende lokale und internationale Einrichtungen, welche mit den Gesetzen der jeweiligen Länder in Einklang stehen,
- Die Stärkung und Pflege des zionistischen Volksgedankens und - bewusstseins,
- Erste Schritte mit dem Ziel, die Genehmigungen der Regierungen zu erlangen, sofern diese den Zielen des Zionismus notwendig erscheinen“ (Protocoll 1897: 144)

Unterzieht man diesen Beschluss einer kleinen Analyse so stellt sich schnell heraus: das Projekt soll international und rechtlich abgesichert werden, es geht um den komplexen Aufbau einer eigenen Gesellschaft mit Industrie und Landwirtschaft, es soll gezielt und geplant Einwanderung befördert werden und doch sind die zumindest in West-Europa lebenden Juden (seit der französischen Revolution zivil und demokratisch gleichgestellten) als Bürger ihres Landes unabhängig von Religion und Status nicht selbstverständlich vom jüdischen Nationalstaatsgedanken überzeugt und das sollte durch die Stärkung eines neuen 'Volksbewusstsein' erst geändert werden. Ein Programm also, dass die ansässige Bevölkerung ignoriert und Kolonisierung in Reinkultur darstellt.
Bemerkenswert bleibt, dass eine nationale Grenze nicht angesprochen wird - es heißt nur 'Palästina', das zu jenem Zeitpunkt nicht eigenständig war, sondern als Gouvernorat dem Osmanischen Reich zugehörte. Dazu soll wieder Herzl bemüht werden, der sich in seinen Tagebüchern vieldeutig ausdrückte:
'Als Ruf auszugeben: Palästina wie zu Davids und Salomonis Zeit' (26.4.1896) 'Wir müssen wegen unseres zukünftigen Welthandels am Meer liegen und müssen für unsere maschinenmässige Landwirtschaft im Großen weite Flächen zur Verfügung haben' (13.6.1896)... oder 'Gebiet: Vom Bach Ägyptens bis an den Euphrat' (9.10.1898), und schließlich: 'Wir verlangen was wir brauchen - je mehr Einwanderer, desto mehr Land' (9.10.1898).
Auch diese Äußerungen scheinen bereits wie Programm: von der Bemühung historisch/religiöser Forderungen, über pragmatische 'Überlebensgrößen' und möglichen Zwischenschritten bis zu der immer noch gegenwärtigen grenzenlosen Politik: 'mehr Eiwanderung erfordert mehr Land'.

1917: Erste Bestätigung der Usurpationspläne durch die englische Regierung, die Balfour Erklärung und die nachfolgende Planung unter englischem Regime

Hektische diplomatische Aktivitäten folgen dem Kongress. Man befindet sich in guter Atmosphäre, denn die europäischen Mächte sind gerade dabei, die Landkarte des Mittleren und Nahen Ostens neu zu stricken, den Niedergang des Osmanischen Reiches auszunutzen und die Orientfrage zu einem Interessenkampf um die Ressourcen des Mittelmeeres und der Ölreichen arabischen Länder zu entfachen. Die Zionistische Bewegung biedert sich an, in Berlin, in London, Paris und sogar in dem Europa liebenden Istanbul, mit dem postkolonialen Gehabe, das Herzl bereits ausgedrückt hatte : 'Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Cultur gegen die Barbarei besorgen' (Herzl 1896: 213). Herzl bevorzugte 'ein Protektorat - das deutsche wäre uns demnach das liebste' (3.9.1898). Aber das schwärmerische 'Liebste' zählte nicht. Harte Interessen und Macht ließen schließlich England dem Projekt zustimmen, als die Interessensphären für die Zeit nach dem Ende des 1. Weltkrieges bereits abgesteckt waren: England ließ durch Lord Balfour erklären, dass es ..'Sympathie für die jüdisch-zionistischen Bestrebungen' habe und dass es 'keine Mühe scheuen (wird), die Erreichung des Zieles einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina zu fördern ...' (Balfour Erklärung 1917, in Hollstein 1972: 89)
Damit ist der erste Fixpunkt für das Kolonisierungsprojekt entstanden und die teilweise schon bestehenden Organisationen können mit der Kolonisierung fortfahren und dies um so mehr seit England 1923 offiziell Mandatsmacht geworden ist und einen Zionisten, den Gouverneur Sir Salomon, an die Spitze der Macht in Palästina gesetzt hat.
Das Programm war schon prinzipiell klar und führte zu strategischen Landkäufen in den von den Geologen ausgemachten Regionen, wie Herzl es schon als Vision vor sich sah: an der Küste, in der fruchtbarsten Ebene Palästinas, die von Haifa bis zum Tiberias See reicht, die Ebene Marj Ibn Amer, heute Yezreel Ebene, am Nordeingang zur mineralreichen Wüste Negev, im wasserreichen Galiläa und später auch Gebiete um Jerusalem und Hebron (siehe auch Karte 1946). (Granovsky 1925, 1929, 1952; Ruppin 1925). Die Mandatsmacht half nach: Genehmigung quasi staatlicher Tätigkeit der Einwanderer wie die Jüdische Agentur als politische Vertretung, hohe Besteuerung für die palästinensischen Landlords, ausschließliche Unterstützung jüdischer Investitionstätigkeit und veränderte Eigentums- und Planungsgesetze begünstigten das zionistische Projekt und in der Folge entstand Landlosigkeit und Armut bei vielen palästinensischen Bauern. Hinzu kam der Ausschluss palästinensischer Arbeit auf jüdischen Feldern und die totale Exklusion des einmal gekauften Landes, Brunnen und Quellen eingeschlossen, als jüdisches Nationaleigentum, nicht rückkaufbar, wie Herzl es sich bereits erträumt hatte (Diner 1980).
Anders als Herzl's Vision gab es aber Widerstand seit Beginn der Kolonisierung. In Zeitungen, Depeschen an den Sultan und Demonstrationen äußerte sich der palästinensische Unmut, der die Gefahr der völligen Enteignung bereits erkannte. In den ersten großen nationalen Streiks hatten die Palästinenser bereits die ersten Märtyrer zu beklagen, die von der englischen Regierung in Akka aufgeknüpft und gehängt wurden (Passia 2000). Wenn es auch mahnende Stimmen in England gab, führten doch die dramatischen Ereignisse in Europa und die beschlossenen Vernichtung der Juden durch das Nazi Regime zu immer mehr Eiwanderung, zu härterem Vorgehen der englischen Behörden nicht nur gegenüber den Palästinensern sondern auch gegenüber den zionistischen Organisationen. Unter dem Einfluss dieser zionistischen Organisationen entwickelten verschiedene Kommissionen der Vereinten Nationen seitdem ihre Vorschläge für eine Teilung Palästinas.

1947: Der Teilungsplan 181 und internationale Verantwortung - Verwüstung der Dörfer und Vertreibung der Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung durch zionistische Milizen

Hatte die Jüdische Agentur mit nicht mehr als 6-7% des Mandatsgebietes Palästina mehr Land gekauft als besiedelt worden war, übertraf der Teilungsplan der Vereinten Nationen mit über 60% für den jüdischen Staat doch die tatsächlichen Besitzverhältnisse um einiges und war allein damit schon ein Unrecht. Die Palästinenser hatten keine eigene Stimme und haben diesem Plan auch nie zugestimmt - aber sie hatten keine Lobby. Entgegen dem eigenen 'Märchen' in Israel, dass der Kampf um Israel eine heroischer 'Befreiungskampf' gewesen sei, haben doch längst viele Recherchen und nicht zuletzt Ilan Pappe mit Hilfe der Militärarchive Israels den Beweis angetreten, dass dieser Kampf eher dem Verjagen der einheimischen Bevölkerung 'mit dem Schwert' (Zangwill) glich und seit spätestens 1945 ein systematischer Plan, der Plan D, zugrunde lag, nach dem Milizen wie Irgun und Stern oder die Haganah die Menschen in Städten und Dörfern vor die Alternative stellte: 'verschwindet oder ihr werdet getötet' (Pappe 2006, Kedar 1999). Das Ergebnis dieser systematischen Terrorisierung der palästinensischen Bevölkerung war
· Israel besetzt über 70% des Mandatsgebietes
· 750.000, fast Dreiviertel der palästinensischen Bevölkerung ist vertrieben und zu Flüchtlingen im eigenen Land oder den Nachbarländern geworden, Todesopfer nicht gezählt
· 500 Dörfer sind größtenteils zerstört, nur 100 bestehen noch und zwar in Galiläa und im sog. Dreieck um Um El Fahem
· Es verbleiben nur noch etwa 150.000 Palästinenser nach der Gründung des Staates 1948 in Israel, die Palästinenser mehrheitlich sind zu Flüchtlingen gemacht und von der eigens für sie geschaffenen UNWRA abhängig
Pappe reiht dieses Ereignis als 'Ethnische Säuberung' ein, vergleichbar dem kolonialen Genocid an der Urbevölkerung Süd- und Nord Amerikas, Australiens oder Afrikas (Pappe: 8) und nennt Plan D einen 'Masterplan der Vertreibung‘.

1947 - 1967: Systematische Enteignung und Unterdrückung der Palästinenser in Israel - Judaisierung ihres Landes

Was folgt ist kurz zusammenzufassen: in Israel beginnt die totale Expropriation der verbliebenen Palästinenser. Dazu sind folgende im weitesten Sinn Planungs-Maßnahmen von Bedeutung, von denen viele bis heute in Israel angewendet werden und den Bewegungsraum für die Palästinenser immer enger ziehen:
· Zensus 1948: es wird unterschieden in Juden und Nicht-Juden, wer nicht in seinem Haus angetroffen wird gilt als 'Abwesender', sein Besitz wird konfisziert und später israelisiert
· Unterstellung der palästinensisch stark bewohnten Regionen Galiläa, Dreieck und den Negev unter Militärstatut mit Hilfe der britischen ehemaligen Ausnahmezustandsregelungen, die nicht außer Kraft gesetzt wurden und bis heute angewendet werden - die Beduinen können sich nur noch in kleinen Gebieten aufhalten und sind zu über 80% ihres Weidelandes beraubt
· Das Gesetz zum Rückkehrrecht für alle Juden der Welt
· Der Vertrag mit der WZO, world zionist organization, für Israel Einwanderung und Land zu besorgen
· Der Nationalplan zur Neuverteilung der Bevölkerung, darin
· Der Aufbau 30 Neuer Städte
· Der Aufbau von 700 Dörfern (Kibuzim und Moshavim)
· Der Aufbau von industriellen Zonen und landwirtschaftlichen Regionen
· Der Masterplan zur Wasserversorgung
· Die Enteignung palästinensischen Bodens begründet mit:
'Sicherheit', 'Abwesenheit', 'Verlassenem Land', 'Notstand' oder 'Planung' - in einer Mischung aus osmanischen, britischen und neuen israelischen Gesetzen, wobei letztendlich das Nationale Bodengesetz und das Grund-Gesetz über Israelischen Boden von 1958 und 1960 die endgültige Judaisierung besiegelte, ein Prozess den Oren Yiftachel ‚ethnocratic planning‘ nennt. (Yiftachel 1999) .


Im Ergebnis hatten die verbliebenen und die vertriebenen Palästinenser in kurzer Zeit zu 90% ihren Boden verloren und blieben Bürger zweiter Klasse, immer noch bedroht von Enteignung und Diskriminierung. Bis heute ist die Bevölkerung zwar auf über 1,2 Millionen angewachsen und stellt damit fast ein Viertel der israelischen Bevölkerung. Ihr gehört heute nur noch etwa 7% des Bodens. Fehlende Masterpläne erschweren eine entsprechende Entwicklungsplanung. Ohne Masterpläne keine Baugenehmigung - deshalb sind in einer Kleinstadt wie Um el Fahem mit 35.000 Einwohnern etwa 70% aller Wohnbauten 'illegal' und können jederzeit abgerissen werden. Über 100.000 Palästinenser, mehrheitlich Beduinen, sind 'nicht registrierte' Bewohner und leben in 'nicht registrierten' Dörfern, das heißt sie leben ohne staatliche Infrastrukturversorgung, also ohne Schulen, Wasser und Energie. Sie kämpfen für ihre Anerkennugn in den Plänen, nur wenige haben inzwischen einen legalen Status.
(State of Israel 1948, Spiegel 1966, Yiryis 1973, Sharon 1951, Grannot 1956, Badi 1961, Ben Gurion 1960, Lustick 1980, Abu Sitte 2004, Egbaria 2003, group of the 40ties)

1967: Besetzung der West Bank, Gaza, Golan und Sinai - mehr Enteignung und Judaisierung

Viele Experten urteilen, dass die Besetzung vor allem der West Bank und des Golan der Eroberung der reichen Wasserressourcen in beiden Gebieten dienen sollte. Israel versorgt sich über die West Bank Grundwasserbassins zu fast 40% seines Verbrauchs und ist bisher nicht gewillt, über Wassernutzungsrechte mit den Palästinensern zu verhandeln. Also kein Krieg zur Verteidigung? Manche Äußerung israelischer Politiker spricht dafür:
'Unsere Väter haben die Grenzen erreicht, die im Teilungsplan von 1947 anerkannt wurden ... unsere Generation erreichte die Grenze von 1949. Aber die Sechs-Tage Generation war in der Lage, Suez, den Jordan und die Golan Höhen in Syrien zu erreichen ... Dies ist nicht das Ende; denn nach den augenblicklichen Waffenstillstandslinien wird es neue Linien geben. Aber diese werden über den Jordan hinausreichen, vielleicht in den Libanon, vielleicht nach Zentralsyrien ... ' Mosche Dayan am 5.7. 1968 vor der Kibuzz Jugendorganisation (Times 25.6.1969)
Wieder gibt es Tote, wieder sind Tausende geflüchtet, wieder ist das Alltagsleben unter der Militärbesatzung zur Hölle für die Palästinenser geworden. Stück für Stück hat Israel unter der Militärbesatzung auch die West Bank den Palästinensern enteignet, nach ähnlichem Muster wie in Israel , die Mittel:
· Zensus, vor allem dient er für Jerusalem langfristig der Ausschließung der Jerusalemer Palästinenser
· Militärische Sperrzonen
· Definition von Abwesendenland
· Definition von nicht bebautem Land
· Fehlende Masterpläne
· Anwendung englischer Masterpläne aus der Mandatszeit
· Planung der Kolonien samt ihrer Infrastruktur.


Kolonisierungsaktivitäten 1967 - 1990 West Bank

aus: PASSIA 2001 (___Kolonien ..... Wohneinheiten)


Und die Folgen?

- Obwohl es hunderte UN Beschlüsse gibt zur Sicherung palästinensischer Rechte mit der Aufforderung an Israel sich aus den besetzten Gebieten und Ost-Jerusalem zurückzuziehen,
- obwohl Israel vielfach für seine Verletzungen der Menschenrechte international gerügt worden ist,
- obwohl Israel mit allen seinen Maßnahmen gegen die Haager Beschlüsse für kriegerisch eroberte, fremde und militärisch besetzte Gebiete verstößt und wegen Verletzung der Menschenrechte angeklagt ist,
- obwohl der Mauerbau vor dem internationalen Gerichtshof in den Haag verurteilt und der Abriß sowie die volle Entschädigung der geschädigten Palästinenser gefordert wurde -
forcieren sämtliche israelische Regierungen die Kolonisierung Palästinas weiter und die westliche Welt schert sich um ihre eigenen Beschlüsse nicht. Im Gegenteil die USA und vor allem Deutschland garantieren Israel die Dauerversorgung mit Geld und Waffen und versuchen aktuell die neuen real existierenden zionistischen Kräfte in Europa die Unterdrückung jeglicher Kritik an Israel auf höchster Ebene zu kriminalisieren. Es schert Europa und die deutschen Regierungen offenbar nicht, wenn das Ergebnis Israelischer Militär- und Planungspolitik so aussieht:

· Über 80% der West Bank sind unter israelischer Kontrolle, oder als ‚Israelland‘ registriert
· Über 100.000 Menschen haben die West Bank erneut verlassen, um eine bessere Zukunft für die Kinder im Ausland zu suchen
· Tausende von Häusern wurden ohne Genehmigung gebaut, weil es gar keine gibt und wurden durch Bulldozer zerstört
· Über 200.000 Siedler leben in den illegalen Kolonien in und um Jerusalem herum
· Über 200.000 Siedler besetzen das Land in den Kolonien der West Bank, in manchen leben bis zu 40.000 Menschen, es sind Städte geworden, die durch Autobahnen eng mit Israel verbunden sind
· Sharons Plan für 2010 ist, war die Ansiedlung einer halben Million israelisch, jüdischer Siedler in der West Bank und dieser Plan nimmt immer mehr Gestalt an.

Dies geschieht alles mit Kenntnis der Internationalen Völkergemeinschaft, die all dies verurteilt weil es gegen internationales Recht ist - aber nichts unternimmt.

2008: Die Mauer zerstört die Einheit Palästinas, Gaza und West Bank sind getrennt

In den letzten fünf Jahren vollzieht sich etwas, was einer endgültigen Zerstörung eines palästinensischen Staates gleichkommt. Mauern und Zäune - nicht zwischen Israel und Palästina - sondern um und zwischen den palästinensischen Dörfern und Städten errichtet - verhindert die notwendige Mobilität, stört den notwendigen sozialen Zusammenhalt, trennt die Menschen voneinander, von ihren sozialen und kulturellen Einrichtungen, schließt sie von Gesundheitsbehandlung, Schul- oder Universitätsbesuch aus und zerstört nicht nur die verwandtschaftlichen Beziehungen. (OCHA 2006)
Kann man von einem kulturellen, sozialen und geographischen Holocaust sprechen? Karten, Bilder und Fakten sprechen eine deutliche Sprache.


Wachturm an der Mauer/Zaun

Der organisierte Landraub von 1897 bis zum Mauerbau


Referenzen
Abu Sitte, Salman (2004): Atlas of Palestine 1948. London
Badi, Joseph (1961): Fundamental Laws of Israel. NY
Ben Gurion (1960): Volk und Staat in Israel. Olten
Diner; Dan (1980): Israel in Palästina. Königstein/Taunus
Egbaria, Kassem (2003): Urban Planning Policy in Arab Settlements in Israel. University of New Castle Upon Tyne
Granovsky (auch Grannott), Abraham (1925): Probleme der Bodenpolitik in Palästina. Berlin
Dslb. (1929): Boden und Siedlung in Palästina. Berlin
Dslb. (1952): The Land System in Palestine, History and Structure. London
Herzl, Theodor (1896): Wenn Ihr wollt ist es kein Märchen, Altneuland, der Judenstaat. 1. Ausgabe Wien. Zitierte Ausgabe 1978, Königstein, Taunus
Herzl, Theodor (1922): Tagebücher Band I-III. Berlin
Hollstein, Walther (1972): Kein Frieden in Israel. Frankfurt/Main
Jedar, Benjamin Z. (1999): Between the Jordan and the sea. Aerial photographs from 1917 to the present.
Lustick, Jan Steffen (1980): Arabs in the Jewish State. London
OCHA, Office for the coordination of humanitarian affairs UN (2006): West Bank and Gaza Strip. Closure Maps October 2006. Jerusalem
Pappe, Ilan (2006): The Ethnic Cleansing of Palestine. Oneworldpublication. London
PASSIA, Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs (2001): 100 years of Palestinian History. A 20th Century Chronology. Jerusalem
Protocoll des 1. Zionistisch Weltkongress in Basel. 29.30.31.8.1897.Officielles Protocoll. Wien
Ruppin, Arthur (1925): Probleme der Bodenpolitik in Palästina. Berlin
Sharon, Arieh (1951): Physical Planning in Israel. Tel Aviv
Spiegel, Erika (1960): Neue Städte/New Towns. Stuttgart/Bern
Yiftachel, Oren (1999). 'Ethnocracy: the Politics of Judaizing Israel/Palestine'. Constellations, Vol. 6: 3: 364-390
Yiryis, auch Gres/Gries, Sabri (1973): The legal structure of the expropriation and the absorption of Arab lands in Israel. In: Journal of Palestine Studies JPS, Vol II, No. 4: 82
Zangwill, Israel (1920): The Voice of Jerusalem. London

Donnerstag, 6. November 2008

Beauftragte/r zur 'Bekämpfung des Antisemitismus' oder zur 'Einhaltung der Menschenrechte' ?

Es geht um die Verteidigung der Menschenrechte - gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus
(auch anlässlich des Gedenkens an die Pogromnacht des 9. November 1938)

Wer ernsthaft meint: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" - muss für Respekt, Toleranz, Versöhnung, Einhaltung der Menschenrechte, gegen Rassismus, ethnische Vertreibung und Verfolgung, Kriegsvorbereitungen und Volksverhetzung streiten. Und nicht einhalten und auch keine Ausnahme machen.
Wer ernsthaft meint: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" - kann nicht gut heißen, was die Großmacht Amerika, ihre Neokonservativen, ihre Geheimdienste und die Armeeführung in der Bush Ära unter dem Hass-Slogan Kampf der 'Achse des Bösen' in der Welt angerichtet hat.
Wer ernsthaft meint: "Nie wieder Krieg, die wieder Faschismus" - kann auch nicht gut heißen, was in den Ländern und Kontinenten außerhalb der 'Reichen' an ethnischer Säuberung und ungeheurem Leid Menschen verschiedener Ethnien oder Religionen angetan wird - im Kern immer mit dem Ziel der Kontrolle des Goldes, des Geldes, der Rohstoffe.
Realität ist aber: Aufrüstung, Aufhetzung und Diskriminierung
Aber Aufrüstung, Waffenlieferungen, Aufhetzung - der Ursprung liegt in den reichen Ländern, sie verkaufen die Waffen, sie bemächtigen sich der Rohstoffe - also auch wir tragen Mitverantwortung am Raub, an der Ausplünderung, an der Zerstörung und den Vertreibungen.
Aber auch innerhalb unseres Landes herrscht Aufrüstung, Munitionslieferung und Aufhetzung; dazu braucht man nur die Tageszeitungen aufblättern. Feindbild Islam, Ausländer, Türken - das wird bedient, wann immer die Gelegenheit dazu günstig ist.
Zum Beispiel die schlechten Ergebnisse der Pisa Studie für Deutschlands Schulen: sie wird den Kinder mit sog. Migrationshintergrund angelastet, aber nicht das Schulsystem entsprechend verbessert; strukturelle Diskriminierung dagegen, beim Schulwesen, bei der Jobsuche, bei der Wohnungssuche, in der Ausbildung, am Arbeitsplatz, die zu den doppelt so hohen Zahlen zur Arbeitslosigkeit, Schulabbrechern, Ausbildungsabbruch und Jugendkriminalität bei diesen Jugendlichen im Vergleich zu der sog. Mehrheitsgesellschaft führen, sind nicht in den Schlagzeilen. Zwar gibt es dazu Untersuchungen in Hülle und Fülle, aber sie werden der Öffentlichkeit selten präsentiert und wenn, dann nur um zu zeigen, dass sie Opfer sind, nicht gleichwertige Mitglieder der Gesamtgesellschaft.
Dagegen aber werden wir unverzüglich informiert über jene tragischen Fälle von Familienehrenmord, Mädchenbeschneidung, Zwangsverheiratung und gleichzeitig werden diese zum Stereotyp über Muslime, Türken oder Araber geformt.
Die Kölner Aktion 'kein Kölsch, kein Taxi für Faschisten ..' ist eher die Ausnahme, und gegen den Moscheebau wird weiter gehetzt. Die gefeierte Duisburger Moscheeeröffnung lässt hoffen - die unerträgliche Hetze gegen den gewünschten Gebetsruf in Marxloh Ende der 90er, die diesem Ereignis vorausging wird allerdings verschwiegen; niemand schreibt: die Duisburger Politik hat gelernt aus einem schmerzlichen Prozess unglaublicher Fehlleistungen - andere Städte sollten sich ein Beispiel nehmen.
Noch immer fehlt in Deutschland der/die Beauftragte der Bundesregierung für die Einhaltung der Menschenrechte, für Gleichbehandlung, gleiche Chancen in Ausbildung und Beruf und im gesellschaftlichen Leben!
Ein/e Beauftragte der Bundesregierung für die Einhaltung der Menschenrechte? Dafür wurde seit Jahren vergebens gestritten. Ein Antidiskriminierungsgesetz wie es andere europäische Länder längst haben, hat die Bundesrepublik Deutschland wegen der EU Vereinheitlichung schließlich 2006 verabschieden müssen. Aber immer noch ist Deutschland zurück: einer Ausweitung des Diskriminierungsbegriffes auf soziale Herkunft und damit zum Beispiel auch auf den Zugang zur Wohnung (besonders schwer für Kinderreiche) widersetzen sich nur noch Deutschland und Tchechien.
Im sog. AGG Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (http://www.bund.de/nn_175498/DE/BuB/A-Z/A-wie-Ausbildung/Allgemeines-Gleichbehandlungsgesetz/Allgemeines-Gleichbehandlungsgesetz-knoten.html__nnn=true) wird die Gleichbehandlung gefordert gemäß
- Rasse und ethnischer Herkunft,
- Geschlecht
- Religion und Weltanschauung,
- Behinderung
- Alter (jedes Lebensalter)
- sexuelle Identität.
Eine/n Gleichbehandlungsbeauftragte/n, der/die über die Lage jährlich berichten müsste, hat die Bundesregierung bisher nicht vorgesehen - allerdings eine Integrationsbeauftragte, was die Richtung suggeriert: die Anderen, die Fremden sollen sich integrieren. Aber einen jährlichen Bericht über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, der etwa Arbeitgeber, Vermieter, Ausbilder und Verwaltungen benennen und auf bestehende Misstände hinweisen würde - auf den warten wir noch immer.

Die geplante Einsetzung einer/s Beauftragten zur Bekämpfung des Antisemitismus reicht gar nicht aus und birgt eine Falle
Was wir nun in nächster Zukunft bekommen sollen ist ein/e Beauftragte/r der Bundesregierung zur Bekämpfung des Antisemitismus. Das ist zwar löblich und in der bundesrepublikanischen Erbschaft aus der Nazizeit verständlich, aber doch kurios und merkwürdig: Sonderbehandlung schon wieder? Ausgrenzung und Anonymisierung der anderen schon wieder? Auch mit falschen Zitaten und Übersetzungen (zum Iran)? Warum haben wir nicht längst den/die seit langem von diversen Politikern geforderten Beauftragten zur Bekämpfung des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit oder um es positiv auszudrücken für die Einhaltung der Menschenrechte? Gibt es ansonsten demnächst einen Beauftragten zur Bekämpfung der Türkenfeindlichkeit, der Islamfeindlichkeit usw.?
Warum findet man bei denen die am lautesten einen Antisemitismusbeauftragten fordern gleichzeitig ein völlig irrationales islamophobes Verhalten und Argumentieren?
Diejenigen, die den Antisemitismusbeuaftrgaten so exklusiv fordern, müssen sich dieser Frage wohl stellen. Warum sind merkwürdigerweise darunter Menschen und Institutionen, bei denen man sich fragen muss, ob sie selbst die Ideen der Menschenrechte, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Gebot der Toleranz, der Wahrung der Würde eines jeden, der Toleranz und des Respekts überhaupt ernst genug nehmen.
Sie muten mit der aktuellen Kampgane eher wie Rattenfänger an, die Wohlmeinende auf ihre merkwürdige Bahn ziehen und damit ein für Deutschland bis zur Erpressung reichendes, wenn auch für jeden Einzelnen verständliches Schuldgefühl schamlos ausnutzen: Antifaschisten, Menschen, die gegen Krieg und atomare Aufrüstung eintreten, engagierte Künstler, Gewerkschafter, Mitglieder deutsch-israelischer Vereine und ähnliches mehr und die 'Freunde' Israels.

Der/die Antisemitismusbeauftragte soll vor allem Kritik an Israel abstrafen
Als Freunde und Verteidiger Israels überschreiten diese 'Rattenfänger' allerdings oftmals die Grenzen der Toleranz und der Wahrung der Würde Anderer.
Ein Henryk M. Broder wird geehrt und gefeiert und darf sich ungestraft folgendermaßen äußern, "Das Problem der Palästinenser ist nicht, dass sie vertrieben wurden, sondern dass sie nicht weit genug vertrieben wurden. Viele von ihnen leben in "Lagern" und können mit bloßem Auge dahin schauen, wo ihre Eltern und Großeltern mal gelebt haben". (spiegel-online am 08.05.09). Solche Leute führen Kampagnen gegen kritische Stimmen, die vor der anderen Seite dieses 'Gut-Menschentums' auf der angeblichen 'Achse der Guten' und bei 'Honestly Concerned' warnen. Ihr langfristiges Ziel ist es vor allem, mit dem Vorwurf des Antisemitismus jedwede Kritik an Israel unmöglich zu machen.

Wer aber ernsthaft meint: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" - der kann unmöglich für gut heißen, was der heutige jüdische Staat Israel im Nahen Osten repräsentiert:

- Verleitung zum Hass auf die Palästinenser, bestenfalls Ignoranz gegenüber ihnen in den Schulen und - - Anonymisierung der Palästinenser als 'Nicht Juden', Araber, (siehe z.B. Karte No. 6 'Bevölkerung und Raum' in israelichen Schulbüchern, in denen nicht einmal die arabischen Städte in Israel eingezeichnet sind wie Akka oder Nazareth, geschweige denn die 1967 besetzten Gebiete als palästinensische bezeichnet sind und die Städte ohne Namen nur als Flecken auszumachen sind. siehe: kibush.co.il/downloads/schoolbooks.doc)
- 'ethnocratic planning policy' und Diskriminierung der Palästinenser bei Sozialpolitik, Wohnungspolitik, Planungs- und Bodenpolitik (siehe bei Oren Yiftachel' über 'the dark side' israelischer Planung . www.geog.bgu.ac.il/members/yiftachel/abstracts.html - 13k )
- Ethnische Säuberung (siehe Ilan Pappes jüngste Veröffentlichung über den Beginn Israels)
- Mißachtung von Grenzen und Souveränität der palästinensischen Gebiete und der Nachbarländer (siehe erneut die Landarten in israelischen Schulbüchern, Okkupation der syrischen Golanhöhen)
- Führung von sog. 'Präventiv'-Kriegen (Übergriffe auf die 67er palästinensischen Gebiete, Ägypten, Syrien, Libanon)
- Illegaler Siedlungsbau (inzwischen mit über 400.000 Siedlern in der Westbank und dem palästinensischen Ost Jerusalem)
- Kolonisierung eines anderen Landes (Israelisierung des Jordantales, weiter Teile der West Bank mit nur Israelis zugängigen Straßenverbindungen und Siedlungsblöcken)
- Staatliche Hinrichtungen und Folterungen, Verhaftungen ohne Prozess (siehe Berichte der israelischen Rechtsanwältinnen Felicia Langer und Lea Tsemel)
- Einführung der Sippenhaftung (ganz Gaza wird als Geisel genommen)
- Mißachtung und Verletzung der Genfer Menschenrechtskonvention (wie die Kolonisierung besetzter Gebiete)
- Mißachtung von UN Beschlüssen (wie Forderungen nach Rückzug aus den Besetzten Gebieten einschließlich Ost Jerusalems)
- Besitz und Entwicklung von Atomwaffen (Vanunu ist Zeuge)



Wenn etwas aus der Pogromnacht 1938 zu lernen ist, dann 'Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus', das heißt auch Respekt und Toleranz gegenüber den Menschen anderer Herkunft, Ethnie. Religion oder Lebensweise, Versöhnung und Einhaltung der Menschenrechte, Eintreten gegen Rassismus, gegen ethnische Vertreibung und Verfolgung, gegen Kriegsvorbereitungen und Volksverhetzung.
Und diese Werte sind unteilbar und führen leider in der scheinheiligen bundesdeutschen Gesellschaft immer noch ein Schattendasein. Dies muss sich, um glaubwürdig zu sein ändern. Ändern in den Schulen, auf der Straße, in der Politik und den Medien. Die Bekämpfung von Antisemitismus wäre ein wichtiger Teil davon. Wer dies als einen exklusiven Kampf angehen will verharmlost nur, was der Kern der Rechtsentwicklung in Deutschland ist. Die Vergangenheit zu bewältigen erfordert eine andere Zukunft zu schaffen. Eine Zukunft in der alle die gleichen Rechte und Pflichten haben, und diese nicht unglaubwürdig als Waffe gegen Andersdenkende benutzt werden. Die gescheiterte militärische 'Demokratisierung Afghanistans und der Iraks zeigen, dass die aggressive Einmischung kein Weg ist, eine solche Zukunft zu verwirklichen.


Erich Fried
Nachtgebet
Vorbild in uns oder Nachbild das uns noch etwas bedeutet
Hilf uns daß wir nicht vorbeten oder nachbeten
die falschen Lehren der Elektronengehirne und ihrer Herren und Knechte
Wo das Unrecht größer wird als wir
Wo das Unrecht schneller wird als wir
Wo das Unrecht kräftiger wird als wir
Hilf uns nicht zu ermüden
Wo das Unrecht uns übertrifft an Kenntnissen und Mitteln
Wo das Unrecht uns übertrifft an Ausdauer und Erfolgen
Wo das Unrecht so groß wird daß wir klein werden
Bei diesem Anblick hilf uns nicht zu verzagen
Wo das Unrecht eindringt in uns in unsere Tage und Nächte
In unser Aufschrecken und unsere Träume
In unsere Hoffnungen und unsre Flüche
Hilf uns uns nicht zu vergessen
Wo das Unrecht spricht mit den Stimmen des Rechts und der Macht
Wo das Unrecht spricht mit den Stimmen des Wohlwollens und der Vernunft
Wo das Unrecht spricht mit den Stimmen der Mäßigung und Erfahrung
Hilf uns nicht bitter zu werden
Und wenn wir doch verzagen hilf uns erkennen daß wir verzagen
Und wenn wir doch bitter werden hilf uns erkennen daß wir bitter werden
Und wenn wir uns krümmen vor Angst hilf uns wissen daß es die Angst ist
das Verzagen, die Bitterkeit und die Angst
Damit wir nicht verfallen dem Irrtum wir hätten eine neue Erleuchtung erfahren
Und den großen Ausweg gefunden oder den Weg nach innen
Und nur der hätte uns so verwandelt

Erich Fried starb a 22.11.1988